OFFENER BRIEF an die Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Karlsruhe

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Stadt Karlsruhe hat ein Klimaschutzkonzept mit konkreten und messbaren Zielen beschlossen, die in den nächsten 10 Jahren umgesetzt werden soll.
Sie entscheiden in Kürze über den städtischen Haushalt und damit auch über die finanziellen und personellen Ressourcen, die für das Klimaschutzkonzept zur Verfügung stehen.
Wir wenden uns heute persönlich an Sie mit einer Bitte, die wir nachstehend erläutern:
Wie sehr eine schnelle und vollständige Umsetzung des Klimakonzepts dringend geboten ist zeigen folgende wissenschaftliche Studien:


• Wenn die CO2-Emissionen innerhalb der EU weiterhin so hoch sind wie aktuell, ist unser verbleibendes Budget innerhalb von etwa 7 Jahren aufgebraucht. Dieses Budget wurde auf der Grundlage ermittelt, die Erderwärmung auf maximal 1,5° zu begrenzen – und dies mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 50 bis 67 %. (1)
Die bis zur Klima-Neutralität auf akkumulierten Treibhausgas-Emissionen dürfen das verbleibende Budget NICHT überschreiten.
• Laut einer EU Studie ist nichts weniger als die menschliche Existenz bedroht, sollten die Temperaturen über 2030 hinaus weiter als 1,5° ansteigen. (2)

Die Stadt Karlsruhe plant bis 2050 klimaneutral zu sein. Bei Berücksichtigung des verbleibenden Emissions-Budgets ist diese lange Laufzeit nur dann möglich, wenn in den ersten Jahren eine schnelle Reduktion der aktuellen Emissionen erfolgt. Ein möglicher Reduktionspfad wäre es, die aktuellen Emissionen von Treibhausgasen in den ersten 7 Jahre um ca. 76% linear zu reduzieren und ab dann die Emissionen bis zur Klimaneutralität 2050 langsamer weiter abzusenken.
Der notwenige Finanzierungsrahmen für das Klimaschutzkonzept liegt bei 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr.
In der Haushaltdebatte für das Jahr 2021 am 20.8 befürworten einige Fraktionen, die Mittel für das Klimaschutzkonzept deutlich zu reduzieren, so dass 2021 voraussichtlich weniger als die Hälfte des mittleren jährlichen Finanzierungsbedarfs zur Verfügung stehen wird.
Zudem sind auch die Personalkosten von Kürzungen stark betroffen. So werden nach unserer Interpretation im ersten Jahr nur 10 der 41,5 laut Klimaschutzkonzept benötigten Stellen geschaffen.
Es ist uns klar, dass das vorliegende Klimaschutzkonzept, das aus einer Vielzahl von Maßnahmen besteht, in der Anlaufphase umfangreiche Planungen, wie Aufbau der Organisation, Aufbau und Schulung des Personals, Detailplanung der Maßnahmen erfordert, bis eine Umsetzung möglich ist. Es ist uns ebenso klar, dass nicht alle Maßnahmen heute schon umsetzungsfähig sind.
Sie als Mitglied des Gemeinderats haben trotzdem die Verantwortung, alles Erforderliche in die Wege zu leiten, um die Klimakrise soweit einzudämmen, dass unseren Kindern und Enkelkindern noch ein gedeihliches Leben ermöglicht wird.
Die schwerste Hypothek, die wir unseren Nachkommen hinterlassen können, ist ein gekipptes Klimasystem. Sie kann im Gegensatz zu finanziellen Schulden grundsätzlich nicht mehr getilgt werden.

Bitte sorgen sie dafür, dass
1) ausreichend personelle Ressourcen zur zügigen Planung bereits in der Anlaufphase zur Verfügung stehen, damit die Maßnahmen schnellst möglich bis zur Umsetzungsreife geplant werden können
2) für alle umsetzungsfähigen Maßnahmen genügend personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, damit sie ohne Verzögerung umgesetzt werden können
3) durch die Stadtverwaltung eine transparente Finanz- und Ressourcenplanung bis 2030 vorgelegt wird, aus der klar hervorgeht, wann welche Mittel wofür eingesetzt werden.
4) eine jährliche Berichterstattung implementiert wird, die aufzeigt welche Maßnahmen zur Einsparung von Emissionen erfolgreich waren und welche nicht. Bei Letzteren muss die Planung angepasst werden, um die Emissionsziele im Einklang mit unserem Emissionsbudget doch noch zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen

Jean-Jaques Lieners
ParentsForFuture
Regionalgruppe Karlsruhe

PS: Hier haben wir eine Excel Tabelle für Sie verlinkt, welche beispielhaft die Konzeption des Emissions- Budgets beschreibt

Quellen:
(1) Stellungnahme der Scientists for Future zu den „Forderungen von Fridays for Future Deutschland an die deutschen Vertreter*innen auf EU-Ebene“, https://www.scientists4future.org/stellungnahme-fffforderungen-an-eu/

(2) Global Trends to 2030: Challenges and Choices for Europe,
https://www.iss.europa.eu/content/globaltrends-2030-%E2%80%93-challenges-and-choices-europe