OFFENER BRIEF An die Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Karlsruhe (13.01.2021)

Sehr geehrte Frau Stadträtin, sehr geehrter Herr Stadtrat,

am 29. November haben wir Sie per E-Mail angeschrieben und im Rahmen der Haushaltsdebatte die konsequente und vollständige Umsetzung des Klimaschutzkon-zepts der Stadt Karlsruhe angemahnt. Auf dieses Schreiben haben wir einige Antworten erhalten, die wir nicht unkommentiert lassen wollen. Wir möchten auf Denkgewohnheiten eingehen, die uns in den Antworten entgegen schlagen, und die dazu führen, dass dem Klimaschutz nicht die erforderliche Priorität eingeräumt wird.

1) Die Natur stellt der Menschheit mit der Klimakrise bedingungslos eine Aufgabe, die nicht aufgeschoben, nicht verhandelt und nur noch in diesem Jahrzehnt gelöst werden kann. Eine zweite Chance gibt es nicht.

Die Natur stellt uns hierbei nur einen einzigen Zukunfts-Pfad zur Verfügung, der mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit verhindert, dass die Klimakrise für unsere Nachkommen in einer irreversiblen Klima-Katastrophe endet: Die Menschheit muss das 1,5 Grad CO2-Emissionsbudget BEDINGUNGSLOS einhalten.
Die bedingungslose Anforderung folgt unmittelbar aus der Tatsache, dass der Mensch die Naturgesetze nicht ändern kann.

Damit wird die Frage des Klimaschutzes zwingend zu einer fundamentalen und höchst moralischen Zukunftsfrage. Es ist ethisch nicht vertretbar, unsere Enkel und Urenkel – bildlich gesprochen – in einen Bus zu setzen, vom dem wir wissen, dass seine Fahrt mit 98%iger Wahrscheinlichkeit in einem tödlichen Unfall enden wird. Und genau das tun wir, wenn wir den einzigen uns zur Verfügung stehenden Zukunftspfad aus der Klimakrise nicht rechtzeitig und konsequent verfolgen.
Bitte erkennen Sie an,

  • dass die Natur uns die Aufgabe der Bewältigung der Klimakrise bedingungslos stellt
  • dass der einzige mögliche Weg aus der Klimakrise die Einhaltung des 1,5 Grad CO2-Emissionsbudgets ist
  • dass entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Temperaturerhöhung von etwa 2 Grad ein planetarer Grenzwert ist, an dem das Klima potentiell irreversibel kippt. Mit jedem Zehntel Grad mehr als 1,5 Grad erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Klimakatastrophe dramatisch!

2) Wir bitten Sie alles dafür zu tun, dass mindestens das, was der Gemeinderat zum Klimaschutz bereits beschlossen hat, auch umgesetzt wird. Sorgen Sie dafür, dass die erforderlichen geldlichen und personellen Ressourcen zur raschen, konsequenten und vollständigen Umsetzung des Klimaschutzplans zur Verfügung stehen.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Klimakrise eine globale Krise ist und auch als solche behandelt werden muss. Es ist auch wahr, dass viele Sachzwänge extrem hinderlich für eine schnelle Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen sind. Es ist auch wahr, dass uns der Klimaschutz vor enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Schwierigkeiten stellt.

Es ist wahr, aber letztendlich nicht relevant. Es ist einfach nicht legitim, mit Hinweis auf die Globalität die Verantwortung auf eine höhere politische Ebene zu schieben und lokal nicht das zu tun, was möglich ist. Auch ist es nicht legitim, mit dem Hinweis auf mögliche negative Auswirkungen oder juristische Hindernisse keinen oder einen nicht ausreichenden Klimaschutz zu rechtfertigen oder Klimaschutz nach Kassenlage zu betreiben. All das entbindet uns nämlich nicht von der Verantwortung, einen erfolgreichen Klimaschutz sicherzustellen. Die Politik hat als einzige Institution die Möglichkeit, die gesellschaftlichen und insbesondere die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns auf den Pfad aus der Klimakrise bringen und dort halten. Und deshalb trägt auch die Politik die Verantwortung für einen erfolgreichen Klimaschutz. Diese Verantwortung kann nicht relativiert oder weggeschoben werden.

Die immer noch viel zu schleppende Umsetzung des Klimaschutzes zeigt, dass die Politik sich offenbar weder der Reichweite der Aufgabe Klimaschutz noch ihrer damit verbundenen Verantwortung hinreichend bewusst ist. Es wird höchste Zeit, dass die Politik diese Aufgabe parteiübergreifend so annimmt, wie die Natur sie uns stellt: Bedingungslos und ohne Wenn und Aber. Sie muss dafür Sorge tragen, dass die genannten Rahmenbedingungen so geändert werden, dass eine Transformation aller Bereiche – Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft, Konsum, Verkehr, Energieerzeugung – zur Klimaneutralität in Einklang mit dem 1,5 Grad CO2-Emissionsbudget angestoßen wird.

Liebe Politikerinnen und Politiker, erkennt Eure Aufgabe und haltet Euch daran!

Mit freundlichen Grüßen
Jean-Jacques Lieners
i. A. von ParentsForFuture Karlsruhe

Lesen Sie hierzu auch den Offenen Brief an den Gemeinderat vom 29. November 2020