Zwischen den Jahrzehnten – noch haben wir es in der Hand!?

Gedanken zum Jahreswechsel 2019/20

Wie erzählen wir davon, dass es dringend ist?
Sicher nicht mehr mittels des Bild des Eisbärens auf der tauenden Eisscholle…

aber wie dann?
Sicher ist, dass die nächsten Jahre entscheidend sind, ob unsere Zukunft hier bei uns in 15 Jahren…
…so
…oder so
aussieht:

Bruchsal, 30. Dezember 2035. Viele von uns werden diesen Tag noch erleben…

Der Sommer war wieder einmal extrem heiß: Wochenlang lag über den Feldern, auf denen seit einigen Jahren Soja, Lupinen und Hanf anstelle des früher üblichen Weizens angebaut wird, brütende Hitze. 42 Grad waren der Regelfall, manch einer unter uns erinnert sich noch an die Hitzesommer seiner/ihrer Jugend von 2003 und 2018 , die rückblickend wie eine frische Brise erscheinen, denn damals gab es auch noch ein paar kühlere Tage zwischendurch.

Viele Landwirte sind verzweifelt oder hatten v.a. im dürregeplagten Nordosten Deutschlands in den letzten Jahren endgültig ihre Landwirtschaft aufgegeben, in der Folge bestimmen immer öfters Brachflächen das Landschaftsbild. Auch auf einer Fahrt nach Karlsruhe wird einem bewusst, wieviele Flächen hier in direkter Umgebung brachliegen.

Als in den frühen 20ern die Nachrichten von vielen Suiziden australischer Landwirte und Rinderzüchter um die Welt gingen – dort hatte es in manchen ehemals grünen Kornkammern und Weideflächen schon seit 5 Jahren nicht mehr geregnet – da dachte man hier im deutschen Südwesten in keinster Weise daran, dass ab Ende der 20er Jahre hier ähnliches passieren könnte.

Leider hatten die Bundesregierungen der 10er und 20er Jahre unter der damaligen Kanzlerin Merkel und dem Kanzler Merz es verpasst, die nötigen Schritte einzuleiten, um Landwirtschaft und Industrie nachhaltig auf die kommenden Herausforderungen einzustellen.

Auch sind heute Mitte der 30er große Teile der Bevölkerung nicht mehr wirklich gesund: Die Älteren, weil sie sich der jährlich wiederkehrenden extremen Hitzewellen nicht gewappnet fühlen und es so jährlich neue Rekordzahlen an Hitzetoten gibt. Die Jüngeren, weil ihre Angst vor der Zukunft sich in depressivem Verhalten äußert. (Das Wort des Jahres war schon in 2028: `Klimaangst´) Dazu kommt die zunehmende Belastung durch Allergien, weil sich allergieauslösende Pflanzen wie die Ambrosia extrem vermehrt haben. Die Borreliose, gegen die immer noch keine Impfung existiert, wurde in den letzten Jahren fast zur Volkskrankheit – denn auch die Zecken hatten sich in den letzten Jahren explosionsartig vermehrt. Dazu kamen seit Mitte der 20er bisher für uns unbekannte Krankheitserreger bzw. Krankheiten wie das WestNilvirus oder das Dengue Fieber, die von der Tigermücke und der seit neuestem hier heimisch gewordenen Tsetsefliege übertragen werden.

Auch unsere Badeseen sind nur noch einige Wochen im Jahr als Badeseen zu bezeichnen: Regelmäßig kippen diese um, das Baden in Ihnen wurde seit den späten 20ern zu einer immer größeren Gesundheitsgefahr.

Und die Wälder in der Region und in Deutschland sind auch in einem dramatisch schlechten Zustand: Große Flächen sind in den extremen Hitzesommern 2023, 2028 und 2031 abgebrannt, der Borkenkäfer hatte in den letzten 10 Jahren leichte Arbeit – die einst typischen Eichen und auch die Buchen sind schon seit einigen Jahren ganz aus Deutschland verschwunden.

Noch ein Wort zur Industrie: Stuttgart wird seit einiger Zeit zynischerweise als Kaputtgart bezeichnet, die Automobilindustrie hat dort die Transformation in eine nachhaltige Zukunft nicht geschafft und viele Automobilzulieferer sind in der Folge in die Insolvenz getrieben worden.

STOP

Muss es soweit kommen – oder haben wir nicht doch noch eine andere Zukunft in petto?

Ja, die allermeisten WissenschaftlerInnen und ExpertInnen gehen davon aus – nur müssen wir jetzt und sofort dafür alle uns zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung setzen, die wir haben:

Deshalb nochmals – Film ab (1)

Bruchsal, 30. Dezember 2035

Halb sieben morgens, heute Morgen bin ich unter die Dusche gegangen – im Badezimmer kleine Metalldosen mit Shampoo und Zahnpasta drin – Plastikverpackungen sind schon seit 5 Jahren verboten. Danach esse ich Müsli mit Früchten, die hier alle aus der Region stammen aus der sogenannten solidarischen Landwirtschaft. Die Hälfte der BruchsalerInnen sind dabei, kontinuierlich die regionale Landwirtschaft zu unterstützen.

Mein Blick aus dem Fenster sagt mir: Viel los heute auf unseren Strassen: Wir wohnen an der Fahrradschnellstrasse Karlsruhe – Bruchsal uns so fahren jede Menge Menschen mit Ihren E-Bikes und Pedelecs vorbei, dazu einige solargetriebene Elektrofahrzeuge. Verbrenner gibt es nur noch als Auslaufmodelle: 2023 kam das Gesetz, dass ab 2030 keine fosil betriebenen Fahrzeuge mehr zugelassen werden durften. Für den Umstieg auf fosilfreie Fortbewegungsmittel gibt es entsprechend hohe Anreize vom Staat.

Unser Haus – wie die meisten Häuser in der Region – versorgt sich nahezu autark: Mit einer PV Anlage auf dem Dach, einem Energiespeicher im Keller – und wer diese Möglichkeiten nicht hat, kann sich Genossenschaften anschließen, die Wärme und Strom aus erneuerbaren Energien produzieren und vermarkten.
Dazu verkehren von Bruchsal aus attraktive gelbe Züge von BWbewegt – diese fahren halbstündlich auf der Schnellbahnstrecke in 20 Minuten nach Stuttgart. Durch diese Anbindung an Stuttgart – wo seit sich seit einigen Jahren die Automobilbranche als Mobilitätsbranche neu erfunden hat – hat Bruchsal noch mehr Einwohnerzahlen gewonnen.
Die Stadt blüht auf, auch weil die kommunale Verwaltung verstanden hat: Wie man eine Stadt lebenswert und menschenfreundlich macht: Durch viel Raum für deren Bürger, durch Umwandlung von Straßen und Parkplätze in Parks, Fußgängerzonen, Radfahrstrassen und Spielflächen.

Auch das Arbeitszeitmodell hat sich in den letzten 10 Jahren drastisch verändert. Kaum einer in meinem Bekanntenkreis arbeitet mehr als 6 Stunden die Woche. Der positive Nebeneffekt, der durch Krankenkassen dokumentiert wird, ist der, dass die Bevölkerung überall dort, wo weniger gearbeitet wird, gesünder ist, die Menschen ausgeglichener sind und mehr Zeit für Freizeit, Sport und Familie haben.

Der Klimaschutz wurde schon vor 10 Jahren als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen- und in 2026 wurde die ursprünglich geplante Kohleverstromung bis 2038 in Karlsruhe vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt. Ein von der EU flankierter Green New Deal wurde beschlossen und als größtes Investitionsvorhaben seit dem 2. Weltkrieg in Deutschland aufgesetzt.

Die Bahn war einer der großen Gewinner des Green New Deals. 365 Tage Tickets und ein europäisches Nachtzugnetz schufen neue Möglichkeiten für die Reisenden. Rollende Konferenzräume und stabile Internetverbindungen ermöglichen es, auch Besprechungen und Meetings während der Fahrt durchzuführen.

Auch die Windkraft hat sich nach dem fast völligen Ausbaustillstand der frühen 20er Jahre (Altmaier ging als der Fast-Totengräber der Erneuerbaren in die Geschichtsbücher ein) schnell erholt: Bürger wurden an den Gewinnen ihrer Windkraftanlagen vor Ort beteiligt, Genehmigungs- und weitere Gesetzgebungsverfahren werden immer öfter unter Einbezug der Zivilgesellschaft umgesetzt.

Der Klimawandel ist zwar heute, Ende November 2035 nach wie vor eine bestimmendes Thema der Tage, aber es zeichnet sich ab, dass die CO2 Emissionen seit Anfang der 30er Jahre rapide sinken und es mit der EU und Deutschland als Vorbildern gelungen war, dem Weg der Vorreiter (Schweden und Marokko) zu folgen. So besteht die Hoffnung, die Erde auf einem einigermaßen stabilen Niveau von weniger als 2 Grad Erderwärmung zu `parken´.

So können wir heute Ende 2035 sagen: Die KlimaKrise hat uns enger zusammenrücken lassen – wir sind hoffentlich nochmal mit einem blauen Auge davongekommen und auch unsere Kinder und Enkelkinder können in den Baggerseen der Umgebung baden, in den Sommermonaten vergnügt ein Eis schlotzen und in manchen Ausnahmewintern sogar im Schwarzwald Ski und Schlittenfahren!

Copyright: Michael Zonsius – mailtomichaz@gmx.de

(1) Inspiriert von L. Neubauer, A Reppening: Vom Ende der Klimakrise, S. 225: Fangt an zu träumen ff, Stuttgart 2019