Südumfahrung: Offener Brief an die Karlsruher SPD-Fraktion

Wir veröffetlichen einen Offenen Brief von Ingo Laubehthal (Mitglied von Parents For Future) an die SPD-Stadträt*innen zur Südumfahrung Hagsfeld.

Besonderheit: Die SPD ist eingeladen, auf diesen Brief zu antworten. Kommt eine Antwort vor dem 30.6., dann publizieren wir sie hier (siehe ganz unten) in vollem Wortlaut!

An
die Mitglieder der SPD-Fraktion
im Gemeinderat der Stadt Karlsruhe

Per E-Mail

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Marvi, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte der SPD-Fraktion,

man sagt, „der Kopf ist rund, damit das Denken leichter die Richtung ändern kann“. Wenn Sie in den letzten Monaten auch nur beiläufig die Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimakrise verfolgt haben, dann sollte auch Ihnen klar sein, dass wir nicht nur unserem Denken, sondern mit großer Entschlossenheit jetzt auch unserem Handeln sehr schnell eine andere Richtung geben müssen, wenn wir unseren Kindern und Enkeln eine brutale Katastrophe ersparen wollen.
Herr Marvi, ich habe eben das Kurz-Interview auf Baden-TV gesehen, indem Sie sagten: „Wir haben ja auch letztes Jahr symbolisch den Klimanotstand beschlossen …“.
Das ist das Problem. Der Klimanotstand ist nicht symbolisch, er ist verdammt real und verursacht nachweislich in anderen Teilen der Welt schon jetzt unendliches Leid, z.B. für unzählige Menschen, die wegen der Klimaveränderungen ihre Heimat verlassen müssen und auf teils tödlichen Flüchtlingsrouten unterwegs sind in eine ungewisse Zukunft.
Ich appelliere dringend und in großer Sorge an Sie alle: Machen Sie jetzt in Ihren Köpfen Platz für neues Denken und Handeln, das jetzt im Wortsinn not-wendig ist.
Und verspielen Sie jetzt nicht die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei und des Mandats, das Ihnen die Bürgerinnen dieser Stadt übertragen haben! Nichts, aber auch gar nichts an diesem Klimanotstand ist symbolisch! Was brauchen Sie denn noch, um das zu verstehen und ernst zu nehmen, wenn führende Klimawissenschaftler täglich radikale Maßnahmen anmahnen? Die Corona-Krise liegt wie ein riesiger schwarzer Schatten auf den kommenden Haushaltsberatungen und droht, dem soeben erst – auch mit Ihren Stimmen – beschlossenen Klimaschutzkonzept der Stadt finanziell das Wasser abzugraben. Wir wissen ohnehin, dass die angestrebte „Nettonull“ bis 2050 nicht ausreicht, um die Erwärmung der Atmosphäre auch nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% auf maximal 2° zu begrenzen. Und schon für die dafür erforderlichen Maßnahmen wird das Geld nun wahrscheinlich sehr knapp. Wir können und wir dürfen die Maßnahmen aber nicht mehr aufschieben. Das haben wir schon viel zu lange getan! Wie wollen Sie unter diesen Umständen meinen Kindern erklären, dass Sie Natur zerstören und eine Straße für mehr als 50 Millionen € bauen wollen, die zu noch mehr motorisiertem Individualverkehr führen wird? Ich habe Respekt davor, wenn Sie die Sorgen der Hagsfelder Bürgerinnen ernst nehmen, denen nun schon so lange Entlastung versprochen wurde, ohne dass sich ihre Situation verbessert hat. Aber erkennen Sie bitte, dass dieses Problem nicht mit den Mitteln von gestern zu lösen ist! Sie schaffen in einigen Jahren ein wenig Entlastung für die Einen, aber zugleich eine höhere Belastung für viele andere. Und Sie binden für dieses Betonmonster Finanzmittel, die diese Stadt und ihre Menschen dringend brauchen, um dem Klimanotstand zu begegnen – und zwar nicht nur symbolisch! Es ist meine feste Überzeugung, dass es ohne Straßenbau gelingen wird, die Menschen in Hagsfeld zu entlasten, wenn wir neues Denken wagen und uns von den Denkmustern der Autogesellschaft lösen. Es ist das Gebot der Zeit, das Gebot des Tages!
In der Karlsruher Gruppe ‚Parents For Future‘ haben wir ein Mitglied, das – trotz engagiertem Eintreten für die Energiewende – noch bis vor kurzem vehement für den Bau der Südumfahrung eingetreten ist. Unvoreingenommene Gespräche und ein genauer Einblick in die vorliegenden Prognosen zu den Verkehrsbewegungen haben dazu geführt, dass er nun zusammen mit uns gegen die Südumfahrung kämpft. Herr Marvi, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, ich appelliere nochmals an Sie: haben auch Sie den Mut, sich neuen Erkenntnissen zu stellen und alte Positionen zu überdenken. Sie werden Rückgrat brauchen, aber Sie werden den Respekt vieler Menschen gewinnen, die sich von Ihnen eine verantwortliche Haltung in dieser wichtigen Frage erhoffen.

Mit freundlichen Grüßen
Ingo Laubenthal

PS: Falls dieser Offene Brief auf der Internetseite www.parents4future-ka.de veröffentlicht wird (was ich erwarte) werde ich dies an die Bedingung knüpfen, dass Ihre Antwort – wenn sie mich vor dem 30.6.20 erreicht – an derselben Stelle ungekürzt veröffentlicht wird.

Antwort von Stadtrat Michael Zeh vom 25.6.20:

Hallo Herr Laubenthal

Vielen Dank, daß Sie sich mit der Frage Südumfahrung Hagsfeld beschäftigen

Zunächst: Als Entscheidung am 30.6 steht die Frage Tunnel oder Trog als neue Alternativen im Rahmen des Planungsprosseses an.

Der Planungsprozess dauert noch lange, auch mit weiterer Bürgerbeteiligung.
Bis zum endgültigen Bau ist es noch ein weiter Weg — auch die Finanzierung muss noch geklärt werden, es ist als Verbindung der L 560 zur A5 ja eine überregionale Strasse, die entsprechend überregional finanziert werden müßte.

Geben Sie doch bitte mal bei einem Routenplaner die Verbindung Europäische Schule Waldstadt zum Hauptbahnhof Pforzheim ein.
Sicher eine überregionale Strecke — sie werden als Autofahrer durch Hagsfeld geführt.

Offiziell ausgeschildert ist die Strecke von Waldstadt oder Stutensee zur A5 über die Haid-und Neustr, Ostring und Durlacher Allee.
Dies nutzen auch viele Menschen — daher auch die weitere Entlastungswirkung mit
-20 000 Autos auf dem Ostring.
Die neue Strasse ist ca 1 km kürzer — d.h. es werden täglich über 20000 km weniger gefahren, d.h.über 5 Tonnen C02 weniger ausgestossen.
Das ist entgegen Ihrer Behauptung nicht Mehrverkehr, sondern eine neue Verteilung mit weniger Kilometer

Gern wünschen wir uns gemeinsam eine Verkehrswende — sprich weniger Autos, mehr ÖPNV, Rad und zu Fuß gehen.
Der Weg der Änderung ist noch weit.

Zur Glaubwürdigkeit gehört aber, wofür man gewählt wurde, auch umzusetzen. Die Südumfahrung Hagsfeld steht in unserem Wahlprogramm ganz konkret.
Ich bleibe bei der Umsetzung des Versprechens.

mit freundlichen Grüßen

Michael Zeh
SPD Stadtrat

Antwort des Fraktionsvorsitzenden Parsa Marvi vom 25.6.20:

Sehr geehrter Herr Laubenthal,

vielen Dank für ihre Mail. 

Zur Erinnerung: Die SPD hatte 2019 durchgesetzt, dass alle neuen Maßnahmen und Projekte in der Stadt Karlsruhe eine CO2 Bewertung erhalten. Das ist real. Wir haben das Karlsruher Klimaschutzkonzept 2030 uneingeschränkt unterstützt. Das ist real.

Der Begriff Klimanotstand als reiner Beschluss ist dagegen natürlich nur ein Symbol, wenn auch ein starkes. Wir erkennen damit die dramatische Veränderung des Klimas auch bei uns in der Region an. Uns geht es vor allem um wirksame Strategien. Das beschlossene Karlsruher Klimaschutzkonzept ist so eine.

Die SPD Fraktion bleibt geschlossen bei Ihrer Haltung. Wir brauchen natürlich auch die Verkehrsentlastung von Hagsfeld, die ja auch wesentlich durch Schwerlastverkehr bedingt ist. Der Lärm raubt Lebensqualität und macht krank.

Der FFF Vorschlag eines noch stärkeren ÖPNV Angebotes für Hagsfeld würde hier nicht weiterhelfen (Gütertransporte), die Stadt hat in den letzten Jahren ohne Erfolg bereits viele Maßnahmen erprobt. 

Die Umfahrung Hagsfeld wird erst in 7 oder 8 Jahren Realität. Bis dahin fahren hoffentlich viele Autos und LKWs mit erneuerbaren Antrieben. Diese werden ja auch von der Umweltbewegung befürwortet und das ist der zentrale Change und das zentrale politische Ziel, nicht die abstrakte Diskussion über die Umfahrung.

Herzliche Grüße und eine schöne Woche

Parsa Marvi